Sicherheitscheck am Flughafen Zürich, der Typ vor mir wuchtet einen Überseekoffer aufs Rollband (Handgepäck? frage ich mich), legt diverses elektronisches Gerät in zahlreiche Plastikschalen und will Richtung Piepstor schreiten.
„Moment!“, hält ihn eine gummibehandschuhte Sicherheitsangestellte auf.
„Flüssigkeiten? Kein Necessaire?“ (So heißt der Kulturbeutel in der Schweiz und heißen heißt dort heissen.)
„Kein Deo?“ (Die geht aber zur Sache, denke ich).
„Nein, ich fliege zu meiner Freundin, die hat alles“, antwortet der Kreuzverhörte.
Ich lege, arg bedrängt von den ungeduldigen Nachrückenden, meinen Laptop in eine Schale.
„Und Sie? Fliegen Sie auch zur Freundin?“
„Haha, nein … … … wenn schon zum Freund.“
Mir kam tatsächlich ein angemessen trockenes Haha aus der Luftröhre.
Am Ende des Röntgentunnels fährt mir mein elektronisches Necessaire entgegen.
Neuerdings oute ich mich, wenn ich dieses öffentlich benutze, weil auf dem Deckel u.a. ein „We are so gay“-Kleber klebt.
Damit nach Russland zu reisen wäre wohl schwierig.
Kam mir nicht in den Sinn, als ich klebte, weil ich schon so lange und selbstverständlich fremde Schwän––PIEEEP! Huch, schlägt mein Rucksack Alarm? Darin ein alter Houellebecq. Die Möglichkeit einer Insel. Kann man lesen, trotz des seitenlangen expliziten Geschlechtsverkehrs zwischen Angehörigen der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft.
In Berlin, nehme ich trotz Koffer kein Taxi. Würde ich in eines steigen, unterhielte ich mich mit dem Chauffeur höchstwahrscheinlich über das Wetter. (In Zürich war’s heute kühler. Hoffentlich wird der Sommer in Berlin nicht so regnerisch wie letztes Jahr, usw.)
In unseren Breitengraden liefert die Meteorologie viel Gesprächsstoff. In Gebieten, wo das Wetter nicht existiert, es nur heiß oder sehr heiß ist, da würde ich gefragt, wo meine Frau sei, ob ich Kinder habe, und wenn ich verneinte, folgte verwundertes Nachhaken und erschreckend oft ein schlüpfriges Angebot was alternative Fahrziele angeht.
Nicht nur in Russland könnte es böse ins Auge gehen, mit „…wenn schon zum Freund…“ zu antworten.
Just to let you know.
Lieber Urs,
meine Lieblingsstelle:
„Flüssigkeiten? Kein Necessaire?“ (So heißt der Kulturbeutel in der Schweiz und heißen heißt dort heissen.)
Sprache und unsere Bilder im Kopf, immer wieder für eine gute Geschichte gut.
Lass uns neue Bilder erfinden und er-schreiben,
bis gleich,
Mia
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Merci, ma chère!
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Immer wieder gerne.
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Lieber Urs,
ich musste ganz schön schmunzeln, wie der Sicherheitscheck zum Intim-Interview gerät, in dem der Reisende sich zu seinen Körperpflegegewohnheiten bekennen muss. Da ist die Frage nach der sexuellen Orientierung nicht mehr weit – aber da ersparst du dem Sicherheitspersonal mit deinem Aufkleber ja die Mühe.
„Necessaire“ ist ein tolles Wort – das scheint mir schweizerische Effizienz widerzuspiegeln (nur das Notwendigste – oder sind sie nicht besonders bürokratisch?), in Deutschland klingt der „Kulturbeutel“ ja nach (verzichtbarem) Luxus. In welche Kategorie wohl das Deo gehört? Leider nicht für jeden Sommer-Reisenden eindeutig, wie man in diesen Tagen im Berliner BVG-Gedränge feststellen kann. ;-)
Herzliche Grüße
Ulrike
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Liebe Ulrike
Als ich das Wort Kulturbeutel lernte (ich vermute auf einer ersten Deutschlandreise in den 80ern, literarisch habe ich es nie angetroffen, scheint mir) musste ich grinsen, weil hier die Toilettensachen Kultur genannt werden.
In der Schweiz wird man im Deutschunterricht gerne gequält mit Necessaire, das gezielt als Orthographiefalle eingesetzt wird (ähnlich beliebt wie das Portemonnaie)…
Trotz Hitze erträgliche BVG-Fahrten, herzlich, Urs
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Lieber Urs,
ich hatte bisher gedacht, das Necessaire sei das, was man hier im Frankfurter Raum als Nageletui bezeichnet. Nun hat es sozusagen noch eine schweizerische Bedeutungsseite dazu gewonnen. Kulturbeutel ist dagegen richtig profan – auch wenn es vorgeblich um Kultur geht. Ich glaube, im schweizerischen Necessaire-Sinne sind die Deutschen eher schlicht unterwegs. Kamm, Zahnbürste, Zahnpasta, ein versagendes Deo, das wars dann häufig.
Liebe Grüße
Anne
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Liebe Anne
Schon spannend, wie wir Bezeichnungen überall anders brauchen, wir Berliner Pfannkuchen sowieso :-)
Herzlich, Urs
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