Die ersten Tage und Nächte in Zürich mit steifem Nacken
(Nachtzug >zu kurzes Bett< gnadenlose Klimaanlange)
Warum gefahren
Office ohne Home
Fast leere Reihen
Arbeit um der Arbeit willen.
Wiedersehensfreude durch mentales Plexiglas.
Freitagabend auf einer von vielen Dachterrassen auf denen Menschen stehen
von hier, von dort, Zürich, United Colors of Benetton.
Da ist der Mond, die Lichter der Stadt, da sind die Konturen der umliegenden Hügel, ein solitäres Hochhaus spiegelt das Restlicht am Horizont.
Ist das hier (360° Körperdrehung, ausladende Geste) Zuhause?
Eine Serbischstämmige sagt: „Ich bin proud Schweizerin zu sein.“ (In breitem Appenzellerisch)
Ich frage mich, ob ich jemals einen solchen Satz über die Lippen brächte (nicht wegen des Anglizismus‘).
Wir sprechen über Serbien, weil Serbien gerade gebasht wird, weil es ein Corona-Hotspot ist, weil in der Schweiz viele Menschen vom Balkan leben, weil Rassismus auch in Zürich Thema N°1 ist.
Tags darauf :
Zahlen, die nur Zahlen sind und doch warnen.
Was sind schon Zahlen.
Die zweite Welle
Zugegeben, mir ist unwohl.
So eng, so viele Menschen, als wäre nichts.
Riviera Zürich
Verloren oder gefangen im Paradies.
Weil da Etwas ist.
Unantastbar ist nicht unverletzlich.
Verinnerlichte Grenzen
überwunden geglaubt.
Was wenn ich
nicht zurückreisen kann
nicht zurückreisen will
nicht zurückreisen sollte
wenn aus Anordnungen Empfehlungen werden
hält sich niemand an nichts
warum soll ich wenn du nicht
auch
Beim Wiedereintritt in die Normalatmosphäre rumpelt die Raumkapsel,
so viele Schauben locker, droht zu bersten.
Noch ist die Luft verseucht, noch geht der Atem flach.
War nicht im Kloster, hatte kein Schweigegelübde abgelegt, war nicht Eremit, in keiner Höhle
doch höchst irritiert, weil da auf einmal viele Menschen sind, vielmehr Sozialkontakte als eben noch. Freunde treffen, die Freunde treffen, Freunde von Freunden, die mir fremd sind.
Irritiert, weil ich mit Abstand der Älteste bin am Tisch.
Irritiert, weil ich eine Unruhe spüre tief in mir
nicht die unersättlich nach Abenteuer und Liebe gierende
die verschreckte, die unsichere, die fragende,
doch mit Kraft in der Ambivalenz balancierte.
Erneut ohne Halt und Haltung
so oder so waswarumwieso.
Irritiert, dass Alle anders (tun).
Der weite Rahmen des Vernünftigen markiert keinen Schutzraum.
Individuelle Entscheidungen gefährden Leben
(Die Freiheit)
Als ob das nicht schon immer so gewesen wäre.
Nicht nur auf der Straße, nicht nur auf Reisen in sogenannte Schwellenländer gefühlt
Beim Zeitungslesen an den Frühstückstisch gebracht.
Dieses Danach kennt kein Davor.
Das Aussterben geht weiter mit vollen Einkaufstüten der Konsumwütigen in der zur Freiluft-Mall verkommenen Stadtkulisse.
Ich radle quer hindurch, möchte schreien „Shoppt Euch doch zu Tode, ihr Idiot*innen, niemand braucht 60 T-Shirts, ob GucciPradaHermèsYSL oder H&M, nichts ist normal, seht ihr nicht die Sintflut, Apokalypse, Apokalypse!“ Doch hält mich die steil ansteigende Straße ab vom apokalyptischen Rittergeheul, ich schnaufe hoch zum Balgrist, ins Burghölzli.
Wo ich mich einliefern könnte.
Wo ich eine Wolkenstürmerin besuche, die nur raus darf, wenn Besuch kommt.
Schöne Seesicht.
Weißt Du noch, vor 13 Jahren, als Du mich in den Norden fuhrst?
Eingefahren über den Großen Stern
Am Fuße des Fernsehturms angehalten
Wenige Umzugskartons hochgetragen
Zimmer in der Platte am Alex
Diese Weite der Sicht
Das Palastskelett
Ich hätte wissen müssen:
Abgesänge beginnen mit Schlosswiederaufbauplänen
Ich brauch‘ keinen König
(Vielleicht einen Prinzen)
Komm zurück
Wohin zurück.
Lieber Urs,
da bist du wieder. Sprachlich klar, direkt, sezierend bisweilen, nachdenklich, tiefgehend, humorvoll und wie immer in einer Sprache, die mich mittten hineinzieht und nachdenklich macht auf eine Weise, die sich auch schon länger in mir und meiner Mini-Welt breitgemacht hat … Würde ich sonst einen eher unansehlichen Patio für alle im Haus neu und einladend gestalten … Zurückziehen ins sichere Castle oder ins unbedachte und unsichere Darumherum?
Office ohne Hime gefällt mir als Begriff einfach sehr gut !
Liebe herzliche Grüße aus meinem Castle unterm Dach,
MIa
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Liebe Mia
Was habe ich deine wohltuenden Kommentare vermisst!
In Zuneigung, Urs
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Lieber Urs,
mir gefällt, wie du das Gefühl des Alien in einer fremden Welt einfängst. Losgelöst von Raum und Zeit ist das Treiben der Menschen doch irgendwie sonderbar. Und man selbst mitten drinnen.
Mein Lieblingssatz: „Dieses Danach kennt kein Davor.“
Darüber muss ich noch eine Weile philosüffieren. Solch ein Neustart auf einer tabula rasa ohne Vergangenheit wäre doch interessant – aber auch ziemlich beängstigend, wenn die Menschen alle ihre Fehler wiederholen würden.
Herzliche Grüße
Ulrike
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Liebe Ulrike,
Na dann bin ich ja mal gespannt, was die Philosophie zutage fördert!
Dankeschön für deine Aufmerksamkeit !
Herzlich, Urs
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