Es ist das Kapital, das sich reproduziert, nicht das Leben.
Paul B. Preciado
50×50, Tag 7
50 Tage lang, vom 7. Dezember 2020 bis ich am 25. Januar 2021 Fünfzig werde, blogge ich täglich zu dem was war, was ist und was sein könnte. Jeden Tag komme ich der Gegenwart ein Jahr näher aus der Vergangenheit (beginnend mit 1971) und der Zukunft (von 2071 zurückzählend).
Was bisher geschah: Ich kaufte auf dem Markt eine Dinkelkruste und akzeptierte die Challenge von DJ Flöck. Derweil an der East Side Mall die Gretchenfrage gestellt wurde.
(Vortag: Dinkelkruste / Folgetag: Ich bin heiß)
Never Mind the Bollocks
Oh, Kinder der Revolution, der König ist tot!
Ihr müsst meine Held:innen sein, länger als ein Tag.
Ich bin doch nur ein Idiot.
Habe nun, ach, dies&das
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer GLITTER HOCH SCHREIBERLING!
Von meiner eigenen Schöpfung mit Sexpistolen bedroht.
Blödsinn! Mit Eiern.
Nichts geschöpft hast Du
Heut’ ist der Siebte Tag!
Wir kennen Dich
Nichts außer heißer Luft!
Fiebrige Nacht
Schaut, ich kann Boogie.
Du bist unsere Königin!
Fotzelschnitten
1977
Schauen wir Ursli zu, wie er 1977 auf einem Steckenpferd in Ostermundigen bei Bern in den Kindergarten reitet. Sein Bildungsweg nimmt den Anfang, frei von Frühförderungsdruck, weil Eltern damals noch unbesorgt sein konnten, dass aus ihren Kindern was werden wird.
Ich erinnere mich an ein hellbraunes Ledersofa im Wohnzimmer und an Meerschweinchen in der Küche. Ich erinnere mich an Gemüsebeete und an einen goldbraunen Opel. Ich erinnere mich an die Zwetschgenbäume vor den Arbeiterhäusern, ein halber pro Familie. Ich erinnere mich an Zwetschgenkompott mit Zimt auf Griesbrei oder Fotzelschnitten*. Ich erinnere mich an den Schlittelhang, ich erinnere mich an viel Schnee, kein Jahr ohne.
Noch konnte ich nicht ahnen, dass ich dreißig Jahre später nach Berlin ziehen würde und es in der Zukunft vorwiegend auf Instagram schneien wird, wo er nie schmilzt.
Maison Du Futur
2065
Der Schnee ist keine Anspielung auf Cocaine, aber der Trans-it in die helle Zukunft, vorwärts zu meinen Held:innen. Bevor sie die Konsumfrage beantworten können, entpuppt sich die Mall als Kulisse aus der Mottenkiste einer Castorf-Inszenierung und zerfällt zu Staub.
Die erneute Leere finden alle zum Gähnen.
Genervt werfen sie ihre Hände über die Köpfe und schreien wild durcheinander: „Was soll das bloß, womit haben wir das verdient, was tun wir hier, das darf doch wohl alles nicht wahr sein!“
„Kinder der Revolution!“, schallt die Stimme von Paul B. Preciado zuerst aus dem Off. Flackernd nimmt sein Äußeres Konturen an, wird schnell schärfer und als er ganz im Fleisch ist, reicht der Ankömmling der Gruppe die Hand.
„Argonauten!“, deklamiert Paul, „ihr seid hier, um einen neuen kognitiven Raum zu erfinden, der die Vielfalt des Lebens möglich macht. Sucht nicht nach Antworten, denkt in Relationen und Veränderungspotenzialen. Das Aufkommen neuer Begriffe ist entscheidend. 2065 haben die Menschen das Ancien Régime der politischen, sexuellen und rassifizierten Hierarchien überwunden. Kommt mit mir in mein Apartment auf Uranus, wo wir die Mikropolitiken des Übergangs studieren werden!“
* Arme Ritter, French Toast
Die kursiv gesetzten Ausschnitte im letzten Abschnitt sind entnommen aus:
Paul B. Preciado: Ein Apartment auf dem Uranus. Chroniken eines Übergangs. Suhrkamp, Berlin, 2020.
„Die Argonauten“ heißt ein Buch von Maggie Nelson, erschienen bei Hanser, Berlin, 2017.
Neues Lieblingswort: Fotzelschnitten. Mmmmhhh, die jetzt essen und dabei das schöne 70s-Medley hören! Am siebten Tag sollst du doch ruhen. Nix da bei 50×50. Bleibt tapfer.
LG Amy
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Liebe Amy
Schon Du bist Grund genug, nicht zu ruhen. Ich muss aber dringend Light-Varianten prüfen, sonst reißt am Ende noch das Farbband.
Der Montagsbeitrag verzögert sich aufgrund von Glitter. Du wirst lesen :-)
Komme gut in die Woche, herzlich, Urs
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