Uckermark

Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems.
Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus

50×50, Tag 18

50 Tage lang, vom 7. Dezember 2020 bis ich am 25. Januar 2021 Fünfzig werde, blogge ich täglich zu dem was war, was ist und was sein könnte. Jeden Tag komme ich der Gegenwart ein Jahr näher aus der Vergangenheit (beginnend mit 1971) und der Zukunft (von 2071 zurückzählend).

Was bisher geschah: Ich erwachte von den Toten und trank im Umland Wein.
(Vortag: Lazarus / Folgetag: 1989)

Polonaise mit Brando

2020
Ich erwache in der Uckermark und schaue über ein saftig grünes Feld Richtung Polen.
Über so ein Feld kommt kein Jesus daher, obwohl ennet der Oder wahrhaft noch geglaubt wird, dass es kein Oder gibt, zu dem, der in den Kirchen hängt.

I used to be seventeen
La la la la la la la
singt Sharon Van Etten mir ins Ohr.

Im Sommer radelte ich im Konjunktiv über sandige Wege durch Landschaften so toscanisch schön, dass Windräder sie überragen müssen, zum Zwecke des ästhetischen Bruchs und zur Erinnerung an das gefräßige Smartphone in der Tasche, um auf jeder Fahrt jedes Bild zu schießen; ein Jäger auf der Jagd nach Instagram, versinkend in die unendlichen Tiefen der Cloud. Ich radelte zum Waldsee, legte mich auf den Steg und döste unter Blätterrauschen ein, dann und wann ein Plätschern vom Biber oder Fisch, bis mich das Knattern eines Töffs IHN erahnen ließe, das Vibrieren seiner Schritte über den Steg, ich stützte mich auf und sähe geblendet den gut gebauten Polen aus Gryphino, seine Motorradjacke ausziehen, darunter ein weißes T-Shirt à la Marlon Brand–oh, ich brenne und kopfspringe–
In den Waldsee, der kippt, weil den kargen, sandigen Feldern des Umlandes jedes Quentchen Fruchtbarkeit abgedüngt werden muss.

Glasnost (Prost)

1988
Die Natur sagte mir nichts, als ich Siebzehn war.
Wir lagen nur im Schadaupark am Thunersee, weil wir wegen der frühen Polizeistunde nicht drinnen saufen konnten.

I used to be seventeen
La la la la la la la

Als ich Siebzehn war, die Welt sich weitete, Paris und Rom und Venedig und und.
Als ich Weite sah, als mein hungriger Blick sich nicht an Bergen festbiss.

Transparenz und Offenheit.
Am Horizont lauerten die Hyänen.
George und Ronald schütteln Michail erwartungsfroh die Hand.

Der Globus zum Shoppyland.
Die Heilige Dreifaltigkeit zum onanistischen Katzenjammer.

Liebesgrüße aus Petershagen

Maison Du Futur

Die Reisegruppe bereitet eine vegane Ente zu, und macht damit der Küchenmarie Konkurrenz.

Abtropfen oder: Entenporno

4 Kommentare

  1. Lieber Urs,
    die arme Ente … lass
    sie doch lieber über die grünen Felder nach Polen fliegen …
    1988 war ich 20 und begann meine erste Ausbildung als Erzieherin, der erste echte Schritt hin zu der Berufung, hin zu dem, was mir bis heute wichtig ist, Arbeit mit Menschen, begonnen mit den kleinen Menschen,
    liebe Grüße, Sabine.
    P.s.: Dir eine schöne Zeit in der Uckermark.

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