Kaffeklubben (Sommervariation IV)

Max lag im Abendrot
Musik im Ohr:
It’s a long travel
but we are not in a hurry
It’s a long travel
and we’re rolling free

Sein Herz öffnete sich.

Alter, was ist das denn für Kitsch? Sein Herz öffnete sich, pfff.

Das ist aus Hanns-Josef Ortheils „Das Kind, das nicht fragte“, Max. Schöne, sizilianisch getränkte Sommertraum-Literatur, perfekt für heiße Tage unter kühlen Bäumen an Seeufern. Du träumst hin und wieder auch, oder?

Ausgerechnet Sizilien, Mann, DU wurdest dort doch vor zehn Jahren von Deinem sizilianischen Ex sitzengelassen, Urs, am schönsten Strand, non ti amo più, aus, vorbei, anschließende Irrfahrt über die Insel, Canzoni aus dem Autoradio, Amore, Amore immer nur Amore, bei heruntergekurbelten Fenstern eine Kippe nach der andern in den Fahrtwind geraucht.

Max!

Wäre mir nicht passiert, sowas.

Max! Ich kann Dir das jederzeit andichten. Du bist meine Marionette, Max.

Siehst Du nicht, wie ICH Dich an meinen Fäden tanzen lasse? Zuckst bei jedem Wort zusammen, Du Memme. Mich im Griff, ich lach mich tot.

Bevor Du stirbst, lasse ich Dich lange leiden. – Ach was. Du wirst vielviel Schönes erleben. Weil sich Dein Herz öffnen wird, ob Du willst oder nicht.

Lieber sterbe ich einen Heldentod. Oder ich infiziere Deinen Mac mit einem Virus! Dann ist ausgetippt, Du Möchtegern, Du manisch-depressiver bipolarer Schizo mit multipler Persönlichkeitsstörung.

Würde es Dich geben, Max, wenn ich nicht ein bisschen von allem wäre, hm?
Muss ich nicht Dich werden, Dich sein? Ich erfinde Dich, Max, ich bin nicht Dich, Du bist nicht mich, aber ich bin wie Du. Du wirst mein Alter Ego.

Ey, Alter, bin ich schwul oder was? A propos, was war heute Mittag mit Der im kanariengelben Pulli ausm Flieger?

Heute trug sie orange.

Bist scharf auf die Braut, was?

Ma–ax! Wir tranken auf dem Hermannplatz einen FlatWhite mit Sojamilch Du Hipst…UND unterhielten uns über alle möglichen Themen, Berghain, Älterwerden, Karriere, Beziehungen. Weißt Du was, es macht Spaß sich mit ihr zu unterhalten, es ist anregend, nicht so anstrengend wie mit Dir. Du alte Schwu…Halt den Latz! Jetzt rede ich, Max, ich kann reden wann ich will, ganz anders als Du, Du Papiertiger.
Sie sagte so schöne Dinge, wie dass sie eigentlich erst jetzt zu Leben anfange.
Mitten im Leben nimmt sie also Schwung auf, kein „bald ist es vorbei“, kein „jetzt erst recht“. Erst jetzt. Natürlich, auch für sie könnte jeder Tag der letzte sein, sagte sie auch. Aber dieses ‚erst jetzt’ ist, als ob jeder Tag der erste wäre, nicht nur der letzte. Du willst die doch nur ficken. Du willst ihre Möse LLLLLLLecken.

Den Houellebecq in Dir müssen wir dringend in den Griff kriegen.

DU liest doch Houellebecq!

„Die Möglichkeit einer Insel“, da ist bereits der Titel schönste Poesie. Was für Worte dieser Franzose für das Ende der Menschheit findet, das ewige Leben, die niemals zu besiegende Sehnsucht nach Liebe und die unerträgliche Kränkung der schwindenden Kräfte, des Zerfalls, im Alter von 47. 47!

Jetzt hör sofort auf mit dem Alter, das hier ist doch kein Midlife-Crisis-Blog, Mann.

Du hast mich doch beim Dichten unterbrochen!
Ach Max, das wird mir noch was, mit Dir.

It’s a long travel
but we are not in a hurry.

(Englische Songzeilen aus dem Stück „Kaffeklubben“ von Camel Power Club)

 

4 Kommentare

  1. Lieber Urs,

    Max ist echt nicht auf den Mund gefallen – deine Kreatur ist so aufmüpfig, wie ein Teenager, der an seinem „alten Herrn“ (Entschuldigung, das sind seine Worte) kein gutes Haar lässt.
    Da habt ihr noch eine lange Reise vor euch, zum Glück ohne Eile.

    Amüsierte Grüße
    Ulrike

    Gefällt 1 Person

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