Beginnt ein Blogeintrag im Paradies damit, dass ein Volk, welches Moses in die Wüste folgte, auf die Idee kam, daraus vertrieben worden zu sein, inklusive Schuld der Frau in die Hand, Kain und Abel, Goldenes Kalb, Sodom und Gomorra, Fleisch ans Kreuz?
Warum, fragte ich mich, als ich das Paradies betrat, hier in Vang Vieng in Laos, hinter einem Guide den Berg hoch, hinein in den Dschungel, unterwegs Wildschweinjägern begegnet, ich den Krokodilstränen nahe, mein Gott, nein nicht meiner, trotzdem rief es in mir „Mein Gott!“ angesichts dieses Grüns, wir zwei Menschlein so klein, so klein, der Führer zwei Köpfe kürzer als ich, er in Crocs den Berg hoch und runter, hin zur Stelle namens „Secret Eden“ wo er ein Feuer entfachte und mir Spieße briet, Reis dazu, zwei Bananen aus dem Urwald, Glück, das weh tut, diese Schmetterlinge, der Bergbach im Berg verschwindet, Höhlen wie Kathedralen, glitzernd wie Diamanten, all das hat die Natur hervorgebracht, jahrtausendealte StalaktitenStalagmiten, zurück ins Grün, was für Geräusche, wie Marimba, brechender Bambus, erklärt der Guide, Pling, Ping, Plong, Pong, ich schloss die Augen, der Dschungel ein Orchester, jüngfräulich meine Ohren, betört, warum, fragte ich mich, haben wir vergessen, dass diese verdammte Erde das Paradies ist?
Kein Planet weit und breit so schön.

Wie immer auf Reisen in fernen Ländern, werde ich die eine Frage gefragt.
„Nein ich bin nicht verheiratet.“
„My wife left me, I live with my daughter.“ (Auf seinem Handyhintergrundbild ist sie zu sehen).
Bei einem Häuslein an einem Bach sagte er: „When I’m old I want a house like this.“ Ein Tiny House, dachte ich, genauso wie auch ich es mir erträume.
Mit alt meint er ab 50, er staunte, als ich sagte, ich sei fast 49.
„European old people very fit! I have Germans and Swiss more than 60 years old, hiking and mountain biking, very fit!“
Ich dachte nicht an die tiefe hiesige Lebenserwartung (67 bei Geburt 2017).

Was, fragte ich mich, ist Reichtum und was ist Armut, hier in Laos, wo das mechanische Zeitalter auf das Smartphone trifft, mein Guide im Dschungel durch Instagram scrollt, während Frauen, so winzig klein, schwerbeladene Hurten über trockende Feldwege schleppen, Kinder auf der Straße mit Murmeln spielen, sich dabei mit dem Handy filmend, Schulmädchen in blauweißen Uniformröcken mit quitschenden Rädern über Feldwege radeln, andere sie auf Hondas in Staubwolken hüllen?
Ich sprach mit meinem Guide über Haben und Wollen über die Versprechungen des Kapitalismus, die Gier nach dem neuesten Telefon, dem größten Auto, dem protzigsten Haus – – – die Natur, die rund ums Jahr fruchtbare, die betörende Schönheit.
Das Habenwollen hat uns vertrieben aus dem Paradies.
Denn natürlich ist es so:
De Hans im Schnäggeloch
hät alles, was er will.
Und was er will,
das hät er nid
und was er hät,
das will er nid.
Ein Städter, der sich nach dem ursprünglichen der Natur sehnt.
Mein Guide, der auch Bauer ist und sich Städte vorstellt, in denen er nie war und in die er nie kommen wird. Trotz Eisenbahnstrecke, von Chinesen durchs Land gezogen (China erobert wirklich die Welt, langsam dämmert’s auch uns Europäern), Eröffnung 2024, der Guide ahnt, dass diese nicht für ihn gebaut wird, „not for me“, er hat noch nie im Leben einen richtigen Zug gesehen, ich schluckte leer, erzählte ihm, dass in der Schweiz Züge sogar durch die Eigernordwand aufs Jungfraujoch fahren, „for Tourists“, er machte so große Augen wie ich die ganze Zeit schon, hier im Paradies.

Jetzt, auf dem Balkon meines Bungalows, durchkreuzen Chinesen auf motorisierten Einbäumen thronend, mit Handysticks bewaffnet, als wäre hier Venedig, das Sonnenuntergangsidyll. Es ist laut. Die Einheimischen verdienen kaum an den Chinesen, die mit chinesischen Bussen anfahren, in chinesischen Hotels wohnen und in chinesischen Restaurants essen.
Einzeltouristen wie mich gibt es nicht mehr viele, was an den vor und nach den Chinesen gähnend leeren Hotspots deutlich sichtbar ist.
„Tell your friends to visit!“
Oh yes I will!
Das nächste Mal werden wir (also ich und einige von Euch lieben Leser*innen) im Urwald übernachten. Der Guide ist bereit und freut sich!


Lieber Urs,
einen fast wortlosen stillen und dankbaren Gruß für diesen einen und einzigen Ort, den wir haben,
Mia
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Liebe Mia, meine heimliche Eva, Du!
Herzlich, Udum :-)
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Grins!!! 😀
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