Während des Prologs im Himmel machte der illustre Zuschauer ein pflichtgemäß ergriffenes Gesicht.
Klaus Mann, Mephisto
50×50, Tag 4
50 Tage lang, vom 7. Dezember 2020 bis ich am 25. Januar 2021 Fünfzig werde, blogge ich täglich zu dem was war, was ist und was sein könnte. Jeden Tag komme ich der Gegenwart ein Jahr näher aus der Vergangenheit (beginnend mit 1971) und der Zukunft (von 2071 zurückzählend).
Was bisher geschah: Pink Floyd warfen Regenbogen durch die Gegenwart in die Zukunft und ließen die Dortigen von Einhörnern träumen. Marianne Faithfull überreichte ein Prisma.
(Gestern: Prisma)
En garde!
1974
Meine Schwester kam zur Welt und mir Erstgeborenem fiel ein Zacken aus der Krone.
Bis auf das Ende zweier Diktaturen (Portugal und Griechenland) und die internationale Anerkennung der DDR lassen wir die Weltgeschichte vorbeiziehen.
Bevor wir uns gleich dem Wesentlichem zuwenden, dies an die Adresse der Covidiot:innen: Schämt Euch des Vergleichs mit Diktaturen, ihr geschichtsblinden Möchtegern-Querdenker:innen! (Gegen die feindliche Übernahme von Begriffen schreibe ich ein andermal an.)

„My, my, at Waterloo Napoleon did surrender
Oh yeah, and I have met my destiny in quite a similar way
The history book on the shelf
Is always repeating itself
Waterloo – I was defeated, you won the war
Waterloo – promise to love you for ever more
Waterloo – couldn’t escape if I wanted to
Waterloo – knowing my fate is to be with you
Waterloo – finally facing my Waterloo“
So schnell geht’s von A nach B, vom einen Schlachtfeld aufs andere; die Narzissen sprießen frühlingsfroh, fast bedauerlich gab’s noch kein Web 2.0 und Smartphones.
Sch! Sch!
10.12.2020
2020 hingegen schon. Mit einem fuchtle auch ich herum, im Kampf um Aufmerksamkeit, liebe Leser:innen, belästige Euch bloggend mit vermeintlich Biografischem, halte mich für wichtig genug, es in den WeltWeitenWahnsinn hineinzuschreiben und natürlich zähle ich jedes Like, ach, es ist der Mangel an Geschlechtsverkehr (Sch! Sch! Hört Ihr auch einen FAZ-Feuilletonisten „Bekenntnisliteratur“ nörgeln?). Mangel an Muse(e)n an Kino an Theater an Tanzveranstaltungen an Wohnzimmer voller leerer Flaschen und voller Aschenbecher nach WG-Parties ja wo ist eigentlich mein Mitbewohner?
Maison Du Futur
2068
Wir sehen ein Durcheinander von Armen, Hände auf nackter Haut, umschlungene Beine, küssende Münder, leckende Zungen, wir hören Gestöhne und Gekicher, es regnet buntes Lametta und bedeckt die nackten Körper soweit, dass wir ohne Scham die Geschichte fortsetzen können.
„Dass Du’s in Deinem Alter noch so drauf hast, hätte ich nicht gedacht“, meint Ben zu Max, als der seinen Glitter aus der Glitter von Mia:o zieht, die belustigt-befriedigt guckt, weil sie sich nur selten von Cis-Männern und quasi nie von schwulen Cis-Männern glittern lässt. Max lässt noch eine Weile seinen kleinen Finger in Bens Glitter stecken, dem Yoki gerade einen glittert. Ben streicht Mia:o über die Brustglitter und seufzt.
„Wo ist eigentlich das Prisma?“
Wie auf Kommando löst sich die Glaspyramide aus dem Menschenknäuel, taucht die Szenerie in Lagerfeuerschein und spricht mit Honigmund: „Hört, hört, der Augenblick ist so schön, wollt ihr nicht festhalten ihn?“ (Leise spielt dazu im Hintergrund Musik: „Please allow me to introduce myself, I’m a…“)
Die Vier schauen sich fragend an. Das was war und ist, ist zwar gerade nicht Nichts, aber so ganz ohne Weltzusammenhang fehlt dem Abgehobensein doch irgendwie der Grund.
„Schätzchen, sag, wo sind wir überhaupt?“
„Ihr habt Euch gefühlte Ewigkeiten im Jahr 2069 vergnügt und seid unversehrt im 68 angekommen.“
„Oh, das heißt ich bin jünger geworden!“
„Unterbrich mich nicht, Silver Surfer!“
„Ihr habt 100 Jahre Mondladung verpasst und Woodstock 4.0.“
„Dafür kriegen wir jetzt den Mai 68. Bitte Paris!“
So soll es sein.
ZACK! liegen Yoki, Ben und Mia:o in einer Badewanne und sitzt Max auf einem Regiestuhl in einem Appartement à la Parisienne. „Merde!“, flucht Max, als er am Regiestuhl den Namen Bernardo Bertolucci liest und an der Klappe „The Dreamers“.
„Wir müssen sofort abhauen, weil ihr sonst für immer und ewig in diesem Film gebannt seid.“
„Lass uns bitte ein bisschen bleiben, Max, ich wollte schon immer ein Filmstar sein, und der Streifen scheint so schön polyamourös avant la lettre“, schmachtet Mia:o.
„Auf keinen Fall!“ Max verschränkt die Arme vor dem Bauch. Ein Bauch! Hatte ihm gerade noch gefehlt.
DX auch analog bewandertX KommunikationsspezialisX Yoki schlägt einen Stuhlkreis vor, um die Frage in Ruhe auszudiskutieren.
Also setzen sie sich.
Epilog
Zuckersüßes Baiser gefällig?
Vorübergehend am Tropf von Netflix&Co hängend, zog ich mir die Serie „Emily in Paris“ rein. Ridicule! Ich gestehe, dass mein Lachen ein amüsiertes, kein blasiertes war. Was soll’s, zu Coronazeiten kam dieses kitschig überspannte Pastiche ganz recht. Hauptsache nicht denken müssen.
‚Die Vier schauen sich fragend an. Das was war und ist, ist zwar gerade nicht Nichts, aber so ganz ohne Weltzusammenhang fehlt dem Abgehobensein doch irgendwie die der Grund.‘ ooohhmeloveit!
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äs liebs müntschi, kris!
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Lieber Urs,
meine erste Lieblingsstelle steht schon im Kommentar von Kris, also folgt mein neues Lieblingswort „WeltWeitenWahnsinn“, dicht gefolgt von meinem Lieblingsstelle: …und natürlich zähle ich jedes Like, ach, es ist der Mangel an Geschlechtsverkehr (Sch! Sch!…).
Du hast ein sehr amüsiertes Grinsen auf mein Gesicht gezaubert, der nächste Beitrag darf kommen, denn der Tag ist längst gegangen …
Danke,
liebe Grüße,
Sabine
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Liebe Sabine, ich glaube wir zwei sollten mal zusammen über …verkehr schreiben :-)
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Grins, unbedingt!
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