Quo vadis?

Von der Schönheit sagt er kein Wort, und als ich mir dazu noch ausrechne, was Marie als oberste Altersbegrenzung des Berühmtwerdens für Frauen festgesetzt hatte, nämlich am besten fünfzehn Jahre, möchte ich mich sofort umbringen.
Simone Meier, Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben

50×50, Tag 46

50 Tage lang, vom 7. Dezember 2020 bis ich am 25. Januar 2021 Fünfzig werde, blogge ich täglich zu dem was war, was ist und was sein könnte. Jeden Tag komme ich der Gegenwart ein Jahr näher aus der Vergangenheit (beginnend mit 1971) und der Zukunft (von 2071 zurückzählend).

Was bisher geschah: Die Wasserkocherwahlqual endete mit einer High-Speed-Lieferung und ich half in Notunterkünften für Geflüchtete aus.
(Vortag: Deutschland gut! / Folgetag: True Love F.T.W.)

Youth

Youth – dieser herzerwärmende Film über das Altern mit Michael Caine und Harvey Keitel in den Hauptrollen, die auf dem Zauberberg kuren und lakonisch darüber sinnieren, was sie in ihren langen Leben erreicht haben und noch erreichen könnten, aber wozu? Was bedeutet gelebtes Leben angesichts des eigenen Zerfalls?

2016
Per Ende Jahr wurde mir die Wohnung gekündigt, ich war vorübergehend besinnungslos verliebt, ich begann an der Alice Salomon Hochschule das Masterstudium Biografisches und Kreatives Schreiben. Wie es dazu kam, fasste ich in „Über mich“ auf meiner Webseite www.schreiben.rocks so zusammen:

vorstellung à la schreibwerkstatt

Im Übungskoffer des Kreativen Schreibens gibt es zahlreiche Anfangsübungen für Vorstellungsrunden in Gruppen. Ein Klassiker ist das Akrostichon. Aus den Anfangsbuchstaben des Namens wird ein Gedicht, Lied oder eine Kürzestgeschichte:

Unkenrufen trotzend (Apokalypse?)
Raste ich auf der Erde
Sause darauf fröhlich durchs All

Keine*r kann mich aufhalten
Überholspur, manchmal Pannenstreifen
Es hört nie auf (ich tanze!)
Nur nicht aus Liebe weinen
Zeitzeuge
Immerwährender (schrecklicher) Schönheit

wie ich autor und schreibpädagoge wurde

Immer dann, wenn ich an der Menschheit zweifle, ihre destruktiven Kräfte mir Sorge bereiten, vergegenwärtige ich mir die in ihrem Detailreichtum verblüffenden Höhlenmalereien von Lascaux. Dann wird mir bewusst, wie sehr der Mensch seit Urzeiten ein schöpferisches Wesen ist.
Wir haben der Schönheit der Natur unsere eigene Kunst beigefügt, malend, tanzend, singend, erzählend, schreibend.
Ich schreibe, weil ich mir damit die Welt aneigne und sie gleichsam erschaffe. Schreibend setze ich mich in Bezug zur Welt und meinen Mitmenschen.

Nach meinem ersten Studium tat ich dies als Journalist. Ich schrieb über tagesaktuelle Themen, war Filmkritiker, arbeitete beim Fernsehen als Redakteur für eine Talkshow und ein Konsumentenmagazin.
Später studierte ich Theorie der Gestaltung und Kunst. Ich führte Gruppen durch Museen und entdeckte meine Leidenschaft für Vermittlung. Ich bin überzeugt, dass Kunst ein Zugang zur Welt ist, der allen offen steht. Es ist mir ein großes Anliegen als Vermittler, Menschen dabei zu unterstützen, ihren persönlichen Zugang zu finden.
Während des Studiums eröffnete ich in Zürich den Kunstraum White Space, später das Substitut in Berlin. Als Kurator erarbeitete ich Ausstellungskonzepte und schrieb Texte über Ausstellungen und für Kunstschaffende.

Allerdings führte mich meine kuratorische Tätigkeit auch in eine Krise. Es gelang mir zwar, dank Geldern von Stiftungen, meinen nicht profitorientierten Kunstraum zu finanzieren, aber nicht mein Leben. Leider konnte ich auch keinen der raren Kuratorenjobs an einer Institution ergattern. Ich stand also vor der großen Frage: Wie weiter?

Andere ehrenamtliche Arbeit katapultierte mich aus meiner Sinnkrise. Der Weckruf waren die Menschen, die 2015 nach Deutschland gelangten, die Bilder der Flüchtenden auf Gummibooten, hinter Zäunen, auf Landstraßen, die Menschenschlangen vor überlasteten Ämtern.
Das konnte ich, wie viele andere auch, nicht untätig mit ansehen und übernahm Schichten als Freiwilliger in Notunterkünften.
Was waren doch meine Sorgen klein, im Vergleich zu den Schrecken, die Geflüchtete erlebt haben!

Außerdem sagte ich mir: Wenn Du nicht weiter weißt, hilft Bildung! Sowieso soll die Devise „lebenslanges Lernen“ heißen, das Hirn will stetig gefüttert werden und trainiert bleiben.
Da ich gerade im sozialen Bereich tätig war und in diese Richtung recherchierte, stieß ich auf der Webseite der Alice Salomon Hochschule auf den Master Biografisches und Kreatives Schreiben. Was mich besonders ansprach, war der schreibpädagogische Schwerpunkt der Ausbildung. Ich lernte im Rahmen entsprechender Module wie eine Kurzgeschichte, ein Roman, ein Gedicht geschrieben wird. Ich setzte mich mit meiner Biografie auseinander und erlebte, wie heilsam Schreiben sein kann. Im Vordergrund stand nicht nur die Entwicklung der eigenen Schreibe, sondern ebenso die Vermittlung vielfältiger Schreibtechniken.

Damit habe ich mir als Autor ein Berufsfeld als Schreibpädagoge eröffnet.

Maison Du Futur

Max: Ich bin 55, Jesusf******christ!
Ben: Happy Birthday, Mr President
Max: Wird Zeit, dass wir dieses Haus am Meer finden, wo wir mit unseren Freunden gemeinsam altern können.
Ben: Hör endlich auf mit dem Alter!
Max: In zehn Jahren werde ich in Rente geschickt, fütterst Du mich dann durch?
Ben: Hättest Du mal besser Geld verdient.
Max: F*** dich!
Max lässt Ben stehen und bricht durch das Raumzeitkontinuum in gegenwartslose Gegenwärtigkeit. Il sole. Un cappuccino e una brioche per favore. Le soleil. Un café au lait et un croissant s.v.p. El sol. Un cortado y un croissant por favor. ดวงอาทิตย์ โปรดดื่มกาแฟและครัวซองต์

Eingangszitat:
Simone Meier; Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben. Hoffmann und Campe, 2000. S. 163

6 Kommentare

  1. Lieber Urs, liebe Sabine, Liebe Anne
    mit dem BKS-Studium an der ASH wurde ich dann auch Teil Eurer Lebensgeschichte und Ihr der meinen. Mehr als vier Jahre ist das nun her, unglaublich!!! Das Studium und Ihr habt mein Leben bereichert, mir neue Perspektiven, neue Lebensweisen gezeigt mich, zu kreativen Höhenflügen gelockt. Danke dafür.
    Liebe Grüße
    Anne

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